Die Sprache der Generation Z Eine Selbstdiagnose

Wenn vom „Zerfall“ der deutschen Sprache geredet wird, kommt mir sofort das Bild eines Mittfünfzigers in den Sinn, der sich wutentbrannt über die Anglizismenkultur der „heutigen Jugend“ aufregt.

Wir alle sind bestimmt längst vertraut mit der schon etwas länger währenden Debatte, ob die zunehmende Verwendung fremdsprachiger – vorwiegend englischer – Begriffe die deutsche Sprache sozusagen „immer mehr in die Enge treibe“, sie verkümmern und nur noch im Sprachgebrauch einiger „unnachgiebiger“ Widerständler aufleben lasse.

Die „Verkümmerung“ der deutschen Sprache, die besonders im Sprachverhalten der aktuellen Generation von Jugendlichen kritisiert wird, rührt aber nicht daher, dass eine jüngere Generation neue Begriffe in der Jugendsprache etabliert; mögen diese Begriffe noch so salopp anmuten und mögen sie aus anderen Sprachen herbeigeführt sein wie sie wollen, sie stellen eine Erweiterung des Wortschatzes dar, eine Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeiten.

Jugendsprache ist sowohl einendes Glied als auch Vereinfachung der zum Beispiel im akademischen Rahmen geforderten Sprachordnung. Dies meine ich nicht herablassend; auch ich, als Angehörige meiner Generation, verwende Jugendsprache: Jugendsprache repräsentiert die Haltung, die Interessen und den Humor der Gleichaltrigen. Die Einigung auf eine ähnliche Ausdrucksweise gehört dabei zur kollektiven Identitätsbildung; etwa als Angehörige einer bestimmten Subkultur (oder einfach: Gruppierung) oder zur Abgrenzung gegen Eltern et cetera.

Was Jugendsprache jedoch tatsächlich eindämmt und so sehr auf die ihr eigenen Begriffe reduziert, ist die Verwendung von verallgemeinernden Modewörtern, die wertend von beinahe gleichgültigen Äußerungen bis hin zu extremen Meinungen für so ziemlich alles stehen können; die Begriffe befreien sich dabei von ihrer ursprünglichen, eingeschränkteren Bedeutung und stehen nun stellvertretend für eine allgemein positive oder eben negative Wahrnehmung.

Im allgemeinen Sprachduktus der Jugendlichen treten Worte wie „chillig“ oder „nice“ unproportional häufig auf und ersetzen alternative und womöglich präzisere Formulierungen. Solche Begriffe werden verwendet, um eine Haltung zu äußern, die vielseitig interpretiert werden kann; das heißt auch: Sie erlauben uns, in relativer Haltungslosigkeit zu unserer Umwelt zu stehen.

Dass Jugendliche Modeströmungen unterliegen und dass sie beeinflussbar, dass sie unsicher sind, das liegt sozusagen „in ihrer Natur“ – durch die Pubertät, die uns entweder aktuell beschäftigt oder jedenfalls unmittelbar hinter uns liegt, sind wir verunsichert, wir sind auf Identitätssuche und damit verbunden auch auf der Suche nach Gruppenzugehörigkeit. Diese Verunsicherung spiegelt sich selbstverständlich auch in unserem Sprachverhalten wider, nicht nur dem der heutigen Generation von Heranwachsenden, der Generation Z, sondern auch in der Jugendsprache der Vorgängergenerationen.

Hinzu kommen in der heutigen Gesellschaft die sozialen Medien und, damit verbunden, die Memekultur.

Durch soziale Medien verbreiten sich Modewörter schneller und über einen größeren Einflussraum hinweg; die Spracheigenheiten des Individuums (sein Idiolekt) verschwinden immer mehr (oder: sie verschwimmen mit den Spracheigenheiten der anderen).

All das lässt unsere Sprache eben etwas schwammig werden, etwas ausdruckslos und unkonkret.

Und das gibt mir oft das Gefühl, dass Äußerungen belanglos werden, irgendwie so mal vage dahingesagt; in unserer Welt ist alles „cool“ und „entspannt“, oder eben nicht – aber dass Dinge auch mehr Seiten haben können als bloß eine, die mit vager Zustimmung oder Ablehnung genug kommentiert ist, das wird außer Acht gelassen.

„Aussagen ohne Aussage“ fallen mir nicht nur im privaten Miteinander auf; eigentlich ist die Schule der Ort, an dem ich meistens das Gefühl habe, Äußerungen würden nur in den Raum geworfen, um sich hervorzutun, um Kompetenz vorzutäuschen, um sich irgendwie einzubringen; und leider scheint es mir, als würde das häufig Anklang finden.

Durch mündliche Noten wird der Schüler angehalten, sich in künstlich stimulierten, zum Beispiel politischen Diskussionen zu Themen zu äußern, mit denen er sich oft nicht besonders tiefgreifend beschäftigt hat und er tut dies, indem er sich hinter einem nichtssagenden Wortschwall verbirgt.

Das nimmt diesen Diskussionen ihren ursprünglichen Sinn, nämlich, sich durch die eigene Meinungsäußerung mit einem Thema auseinanderzusetzen und sich durch das Stimmungsbild der Anderen kontroversen Aussagen zu stellen.

Es liegt aber in unserer Hand, diese Gewohnheit umzukehren.

Wenn wir wieder anfangen, unsere persönlichen Ansichten präziser und irgendwie bunter zu formulieren, wenn wir uns trauen, Meinungen auch einfach nur begründet in unseren eigenen Erfahrungen und Bedürfnissen zu äußern, wenn wir uns nicht gezwungen sehen müssen, in unseren Äußerungen jede einzelne Kontroverse zu erwähnen und in Betracht zu ziehen, sondern stattdessen jeden für sich sprechen lassen ohne ihm zwangsläufig eine radikale Einstellung zu unterstellen; wenn wir öfter ehrlich sagen, was wir fühlen und gut genug auf uns selbst hören, um eine differenzierte Haltung zu dem zu haben, was uns beschäftigt – vielleicht können wir dann selbst etwas gegen die allgemeine Gleichgültigkeit und Belanglosigkeit tun.

Vielleicht wird dann vieles weniger „chillig“, wahrscheinlich sind wir dann gezwungen, mehr Zeit damit zu verbringen, über uns selbst und unsere Einstellung nachzudenken.

Aber die Welt kann eben auch aufregend, stimulierend, erregend sein, und manchmal müssen wir uns das klar machen, indem wir Begriffe verwenden, die der Vielfalt des uns Umgebenden eher gerecht werden.

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