Alles neu macht Macron

Bild: Kremlin.ru (CC BY 4.0)

Nach dem Debakel für die En Marche (RE) in den Kommunalwahlen am letzten Sonntag krempelt deren Chef und Staatspräsident Emmanuel Macron nun seine Regierungsmannschaft um.

So ist der bisherige Premierminisiter Edóuard Philippe am Freitagmorgen mit seiner gesamten Regierung geschlossen zurückgetreten und unter anhaltendem Applaus in seinem Amtssitz verabschiedet worden. Sein Nachfolger wird der zuvor eher unbekannte Polit-Manager Jean Castex, der zuletzt als „Monsieur déconfinement“, als „Öffnungsbeauftragter“ der Regierung für die Lockerungen der in Frankreich noch sehr harten Anti-Corona-Maßnahmen, in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist.

Obwohl Castex diesen Balanceakt mit Bravour gemeistert hat und sein Amtsvorgänger ihm eine „furchterregende Effizienz“ bescheinigte, ist er bisher politisch immer blass geblieben. Und das soll ihm selbst zufolge auch so bleiben. Er will die Pläne des Präsidenten umsetzen und in nicht, wie Philippe zuletzt, den Präsidenten selbst in den Schatten stellen:

“Ich bin nicht hier, um im Rampenlicht zu stehen – ich bin hier, um Ergebnisse zu erzielen.”

Jean Castex, neuer Premierminister Frankreichs

Denn während Philippe für seine unaufgeregte Art des Krisenmanagements immer beliebter wurde und Macron in Umfragen überflügelte, werden die rund 30.000 Toten durch das Coronavirus zum Teil dem Präsidenten und seiner anfänglichen Reaktion zur Last gelegt.

Gegen Philippe und seine ehemalige Gesundheitsministerin Agnès Buzyn (LREM/RE) und ihren Nachfolger Olivier Véran (PS/S&D) ermittelt nun sogar die Justiz. Ihnen wird die mangelhafte Bekämpfung einer Katastrophe vorgeworfen. Gegen sie sind beim Gerichtshof der Republik, der als einziges Gericht, den Premier und seine Minister für Handlungen im Amt belangen kann, zahlreiche Klagen eingegangen. Dort prüft nun eine Kommission, ob es zu einem Prozess kommt.

Philippe und Macron sind wohl nicht im Streit auseinander gegangen sein. So soll sich Macron in einem „warmherzigen und freundschaftlichen Gespräch“ bei Philippe für dessen Arbeit bedankt haben. Nun kehrt der frühere Republikaner (EVP) auf seinen alten Posten im Rathaus von Le Havre zurück. Vielleicht auch um sich für die Präsidentschaftswahlen 2022 in Stellung zu bringen, wie Beobachter mutmaßen.

Meinungsverschiedenheiten gab es zwischen den beiden zum Beispiel über die Geschwindigkeit der Lockerungen. Während Macron Tempo machte, wollte die Regierung um Premier Philippe die Sache langsam angehen lassen, um das Erreichte nicht zu gefährden.

Sein Nachfolger Castex ist ein Experte für das französische Gesundheitswesen, dessen Schwächen die Corona-Pandemie schmerzhaft offenbart hat. Wenn es nach Macron geht, wird Castex es noch bis 2022 reformieren müssen. Außerdem soll er sich verstärkt um die Jugend kümmern, der durch die aufziehende Wirtschaftskrise der Berufseinstieg erheblich erschwert werden könnte.

An seiner umstrittenen Rentenpolitik, gegen die es im Winter noch große Streiks gegeben hatte, will Macron aber festhalten. Sie soll das zersplitterte Rentensystem vereinheitlichen und für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen, indem Geringverdiener bei der Rente bessergestellt werden. Auch das war ein Streitpunkt mit Philippe, der einen härteren Sparkurs befürwortete.

Doch auch, wenn Macron keinen allzu harten Sparkurs fahren und auch die Steuerlast nicht erhöhen will, so setzt er seinen Reformkurs, der vielen Franzosen nicht gefallen dürfte, weiter fort. Das heißt zum Beispiel, dass die letztes Jahr schon aufgeweichte 35-Stunden Woche weiter flexibilisiert werden wird, ebenso wie das Renteneintrittsalter angehoben wird.

“Wir können nicht unsere Unabhängigkeit und einen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Neuanfang haben wollen, und dabei eines der Länder Europas bleiben, in dem am wenigsten gearbeitet wird”

Emmanuel Macron, Staatspräsident Frankreichs

Wenn Macron es 2022 noch einmal in den Elysée einziehen will, muss er erst einmal in die Stichwahl kommen und dafür muss er sowohl seine konservativen Unterstützer bei der Stange halten und auf der linken Seite verlorene Stimmen zurückholen. Macron sagte zwar, dass er den sozialen Schutz voranbringen möchte, personell bleibt mit der Ernennung von Castex der erwartete Schwenk nach Links allerdings aus.

Der Wechsel im Hôtel Matignon, dem Sitz des Premiers, soll Frankreich neuen Schub geben, um sich von der Coronakrise schnell zu erholen. Dafür brauche es eine „neue Mannschaft“, wie Macron der Tageszeitung „Le Parisien” sagte. Einen Mannschaftskapitän hat Macron schon mal, jetzt wartet ganz Frankreich auf den Rest des Teams und die neue Aufstellung.

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