Wenn nicht jetzt, wann dann? Als die Menschheit lernte, die Erde zu lieben...

Das Image der Jugend als unpolitische und desinteressierte Generation hat – sofern es überhaupt jemals zutraf – in den letzten Wochen mit dem Erstarken der Fridays For Future Bewegung einen unübersehbaren Knacks bekommen und ist spätestens mit dem heutigen bislang größten Klimastreik hinfällig geworden. Weit über eine Million junge Menschen demonstrierten in 123 Ländern und 2052 Städten auf allen Kontinenten (selbst in der Antarktis) für einen besseren Klimaschutz, für eine lebenswerte Zukunft. Spätestens heute hat sich gezeigt, wie laut die Stimme unserer Generation sein kann und wie groß ihr Gewicht ist. Denn eins ist klar: Mit dem heutigen Schulstreik haben wir die Debatte um den Klimawandel nicht nur intensiviert, sondern regelrecht umgekrempelt.

Während vor dem Bundestag in Berlin der aus mehr als 20.000 Schülern und Studenten bestehende Demonstrationszug vorbeizog, wurde im Plenarsaal erstmals über das Thema debattiert. Schon letzte Woche hatten Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Steinmeier ihre Freude über die Bewegung ausgedrückt, nun in der heutigen Bundestagssitzung bekannten sich weitere, etliche prominente Politiker.

Doch nicht aus der Politik, vor allem aus der Gesellschaft bekommt unsere Generation starken Rückhalt. Mit Parents, Teachers und Scientists For Future haben sich auch ältere Generationen in großer Zahl mit den Schülern und Studenten solidarisiert und den heutigen Demonstrationen angeschlossen. In der Stellungnahme von Scientists For Future haben zudem mehr als 23.000 Wissenschaftler aus dem deutschsprachigen Raum die Forderungen der jungen Generation für berechtigt erklärt und die Notwendigkeit schnellen Handelns gegen die Klimakrise unterstrichen.

Gerade die Unterstützung aus der Wissenschaft entzieht den Kritikern von Fridays For Future und Christian Lindners in der Politik den schon ziemlich kleinen Argumentationsgrund. Der Klimawandel ist die größte Bedrohung in der Menschheitsgeschichte und deshalb ist Klimaschutz etwas für Profis. Und die Profis stehen hinter Fridays For Future.

Dass richtige und konstruktive Kritik an den Schulstreiks kaum möglich ist, zeigt schon die Debatte über die Schulpflicht. Der größte Teil der Kritik richtet sich nicht einmal, wie üblich bei der Klimadebatte, gegen angeblich überzogene oder nicht umsetzbare Forderungen, sondern nur gegen das Schulschwänzen der demonstrierenden Schüler. Natürlich wird so zunächst vom eigentlichen Problem, also dem Klimawandel, abgelenkt, die allgemeine Aufregung um den Systemboykott durch unsere Generation hat aber Fridays For Future erst so viel Aufmerksamkeit beschert.

Allein die Kritik an der Verletzung der Schulpflicht ließe sich durch Demonstrationen an Nachmittagen (die vielerorts an Freitagen schon stattfinden) oder Wochenenden aushebeln. Die Aufmerksamkeit von Medien und Politik ist uns inzwischen sicher und die Weekends For Future hätten zudem eine unglaublich starke symbolische Wirkung. Wir brauchen eigentlich keine Regeln mehr zu brechen, um uns für den Klimaschutz einzusetzen; nicht nach diesem 15. März. Die größten Regelbrüche finden außerdem in der Politik statt.

Die Unterstützung aus den älteren Generationen und vor allem aus der Wissenschaft ist essentiell und befeuernd für Schulstreiks, denn so wurde aus der Jugendbewegung eine Bürgerbewegung. Fridays For Future ist womöglich die letzte Gelegenheit für uns, die Auswirkungen des Klimawandel einigermaßen zu begrenzen. Wir sind die letzte Generation, die noch handeln kann. Wenn nicht wir, wer dann?

Mit dem Streik allein bekämpfen wir nicht den Klimawandel. Denn es ist nicht etwa nur fehlerhafte oder von Profitgier gesteuerte Politik, die die Klimamisere verursacht hat. Es ist in erster Linie unser westlicher, verschwenderischer Lebensstil, der den Bedarf für billigen und vermeintlich effektiven Kohlestrom, für immer größere Autos und immer mehr Plastik geführt hat. Klimaschutz fängt nicht auf der Straße, sondern bei jedem selbst an. Es reicht also nicht, der eigenen Forderung nach einer lebenswerten Zukunft durch Schulstreiks Ausdruck zu verleihen, den Forderungen müssen Taten folgen. Mit den Schulstreiks zeigen wir, dass wir bereit sind, unseren Lebensstil als Gesellschaft für den Erhalt unserer Erde zu ändern und verlangen von der Politik, diese grundlegende Veränderung in der Gesellschaft, auch in der Politik zu vollziehen.

Denn das ist das Großartige an Fridays For Future: Wir können sehen, dass unser individueller Einsatz durch die Bewegung eine große Wirkung erzielt. Viele kleine Zahnräder bilden ein großes Getriebe. Indem wir aktiven Umweltschutz selbst vorleben, zeigen wir gleichzeitig, dass wir auch über Freitage hinaus bereit sind, uns für unsere Ideale einzusetzen und nehmen die Politik einmal mehr in die Pflicht.

Fridays For Future ist schon jetzt die größte weltweite Friedensbewegung. Ja, Greta Thunberg hat weltweit Millionen Menschen inspiriert, gemeinsam gegen den Klimawandel und für eine Zukunft zu kämpfen. Sie eint Menschen, die mehrere zehntausend Kilometer auseinanderleben und doch alle gleichermaßen von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein werden. Sie schafft so ein Band zwischen Völkern, von denen sich manche auf politischer Ebene eigentlich im kriegsähnlichen Zustand befinden. Ein Band der Solidarität und des Friedens. Allein dafür hätte sie den Friedensnobelpreis verdient.

Dieses Band zwischen Millionen Gleichgesinnten überall auf der Welt unterscheidet Fridays For Future von allen bisherigen internationalen Bewegungen und es ist auch der Grund warum der Klimastreik seine Ziele erreichen wird und muss. Wenn wir die Erde nicht durch diese Bewegung retten können, dann durch nichts. Wenn nicht jetzt, wann dann?


 


 

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