#niewiederSPD Wie sich die Sozialdemokraten bei der Union angesteckt haben

Sie haben mal wieder zu viel gekuschelt und jetzt hat sich die SPD bei der Union angesteckt und ihren eigenen Anti-Hashtag bekommen. Doch bei der SPD ist die Situation parteiintern doch komplexer, denn sie ist mal wieder gespalten, in Gegner und Befürworter, in Überzeugte und Koalitionsbewahrer sowie in Europaparlament und Bundestag.

Die SPD hatte es in der Hand, denn ohne den Koalitionspartner hätte die Union die Urheberrechtsreform wahrscheinlich nicht durchziehen können. Wobei nach der Abstimmung über den möglicherweise krebserregenden Unkrautvernichter Glyphosat 2017, bei der der CDU-Landwirtschaftsminister gegen den Willen der SPD auf europäischer Ebene einer Zulassungsverlängerung zugestimmt hat, ein Alleingang der Union auch diesmal nicht unwahrscheinlich sein könnte. Der Unterschied zu damals: das zuständige Ministerium, das Justizministerium wird von der Sozialdemokratin Katharina Barley geleitet, die sich im Vorfeld gegen Uploadfilter und den umstrittenen Artikel 13 ausgesprochen hatte und es der Union in gleicher Münze hätte zurückzahlen können. Das hat sie aber nicht, denn die SPD hat zu viel Angst vor einem Scheitern der Großen Koalition und, der Meinung vieler Twitter-Kommentatoren nach, jetzt endgültig alle Glaubwürdigkeit und Sympathien verspielt.

Während Viele einfach nur wütend auf die Union sind, herrscht bei der SPD neben Wut auch Enttäuschung vor. Enttäuschung über das erneute Einlenken der SPD vor der CDU, ebenso wie über die Unterstützung der Reform in der Bundesregierung. Die Strategie, sich auf europäischer Ebene gegen die Reform zu stellen, da es auch ohne die SPD eine Mehrheit gab, um sich mit den Gegnern gut zu stellen und in der Bundesregierung die Reform aus Angst um die GroKo mitzutragen, ist nach hinten losgegangen und die SPD ist in den Augen vieler wieder vor der Union eingeknickt.



Diese Enttäuschung in Verbindung mit der emotional sehr aufgeladenen Debatte führt dann auch schon einmal dazu, dass Parolen der Kommunisten aus der jungen Weimarer Republik aus der Mottenkiste gekramt und skandiert werden.



Oft wird überlegt, ob die SPD überhaupt noch selbstständig Politik machen kann oder will. Auch fragen sich die Kommentatoren auf Twitter teilweise schon ob die SPD Analgesie (Schmerzunempfindlichkeit) hat oder sich gar ihre Schmerzgrenze hat operativ entfernen lassen, so groß ist das Unverständnis über die Entscheidung der Sozialdemokraten. Denn während sich die CDU klar positioniert und ihre Position verteidigt hat, haben die Sozialdemokraten in den Augen Vieler versucht, die Gegner der Reform zu hintergehen und damit gerechnet, diese würden das doppelte Spiel nicht durchschauen. Das haben sie aber.



Für die Zukunft von Deutschlands Sozialdemokraten verheißt das alles nichts Gutes, denn während sich durch neue Sozialstaatsideen vielleicht einige analoge Wähler*innen zur Wahl überzeugen lassen, ist die Diskussion um Artikel 13 für die junge Generation emotional wesentlich bedeutsamer. Die durch YouTube-Stars angeheizte und emotionalisierte und durch CDU-Politiker unglaublich polarisierte Debatte hat bei der so plötzlich für Netzpolitik interessierten Jugend eine merkwürdige Ambivalenz im Umgang mit der eigenen Macht in unserer Demokratie offenbart. Einerseits ist da das Gefühl, beschimpft, ignoriert und nicht gehört zu werden sowie das Gefühl, dass sich die „Alten“, die ja sowieso nichts von der Netzkultur verstehen, das „Neuland“ unter den Nagel reißen wollen. Andererseits ist da ein neues Gemeinschaftsgefühl, ein Konsens; zwar in Abgrenzung zur „analogen Welt“, aber immerhin. Und auch ein Machtgefühl ist entstanden. Durch die Proteste und die plötzliche Relevanz des Themas auch in den herkömmlichen Medien sickerte die Erkenntnis durch, dass sich der Einsatz für die eigenen Überzeugungen lohnen kann und dass man nicht alleine, sondern zu Tausenden ist und ähnliche Ansichten zeigt. Diese basisdemokratische Erkenntnis der Jugend gilt es nun zu kanalisieren und in unsere demokratischen Systeme in Form von Wahlen einzubringen. Denn was diese Realexkursion des Politikunterrichts auch klargemacht haben sollte: In einer Demokratie muss man Mehrheitsentscheidung gegen den eigenen Willen akzeptieren. Wenn die Jugend also ihren Willen besser repräsentiert sehen will, muss – sofern das Alter stimmt – für die eigenen Anliegen, z.B. bei der kommenden Europawahl, gewählt werden. Sicher ist, dass es sich Union und SPD zumindest für dieses Mal mit der Jugend verscherzt haben, die Langzeitfolgen aber lassen sich noch längst nicht vorhersagen.

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