Macrons neue Mannschaft

Bild: Département des Yvelines (CC BY-ND 2.0)

„Ich werde gegen niemanden Krieg führen“, erklärte der bekannte Strafverteidiger und frischgebackene Justizminister Eric Dupont-Moretti vor der ersten Kabinettssitzung am Dienstag. Damit reagierte er auf Cèline Parisot, die Vorsitzende der größten Richtergewerkschaft Frankreichs, die seine Ernennung zuvor als „Kriegserklärung“ bezeichnet hatte.

Denn mit Dupont-Moretti steht nun ein berühmt berüchtigter Verteidiger den Richtern vor, mit denen er in den Gerichtssälen des Landes zuvor so hart gerungen hatte. Verächtliche Kommentare über die Staatsgewalt und Richter*innen waren an der Tagesordnung. Sein Ziel sei es, Reformen einzuleiten, um die Unschuldsvermutung zu stärken, die Geheimhaltung der Ermittlungen zu verbessern und das Justizsystem „näher an den Bürger“ zu bringen, versuchte der neue Chef im Justizressort zu beschwichtigen. Außerdem solle seine Politik im Dienste des Antirassismus und der Menschenrechte stehen.

Warum aber einen so umstrittenen Mann als Justizminister? Macron hat versprochen sich im Angesicht der Coronakrise und der daraus resultierenden Wirtschaftskrise neu zu erfinden.

Seine neue Regierung ist der alten sehr ähnlich, nur ein bisschen weiter rechts. Deshalb glaubt Françoise Fressoz, Redakteurin bei Le Monde, dass es „ein wenig Würze“ gebraucht habe, „um diese Milde” vergessen zu machen. Und das hat offensichtlich funktioniert. Die Presse kommentierte fast ausschließlich die Personalie Dupont-Moretti.

Doch dieser Rückgriff auf Übertretungen legt eine Schwäche des Präsidenten offen: Emmanuel Macron hat nicht mehr viele Karten auf der Hand, die er spielen kann. Seine Verführungskraft hat sich im Angesicht der vielen Krisen quasi aufgelöst.

Bruno Le Maire (LREM/RE), bisheriger und auch zukünftiger Minister für Wirtschaft und Finanzen, versprach eine grüne Wiederbelebung, die sich “den Kleinen” zuwendet. Die Wiederbelebung der Wirtschaft werde “eine überwältigende Aufgabe in diesem Moment, in dem Frankreich vor der schwersten Wirtschaftskrise seit 1929 steht“, sagte der Minister bei der Einsetzung seines neuen Ministerialstabes. Wie Le Maire bleiben auch Verteidigungsministerin Florence Parly, Gesundheitsminister Olivier Méran (LREM) bleiben und Außenminister Jean-Yves Le Drian auf ihren Ministerposten.

Dass die Ökologie der “Schlüsselfaktor” für die Genesung der Wirtschaft sein soll , sagte auch Barbara Pompili (LREM & EELV/Greens/EFA), Castex Nummer Zwei und Ministerin für ökologischen Wandel. Der Klimaschutz müsse “das Geschäft” aller Minister sein, sagte sie am Dienstag bei der Amtsübergabe mit Elisabeth Borne (LREM), ihrer Vorgängerin, die nun Arbeitsministerin wird. Aber nicht nur für die Wirtschaft, auf für das Gewinnen von Wahlen könnte das Umweltthema in Zukunft ein Schlüsselfaktor sein.

Der neue Innenminister Gérald Darmanin (LREM) stellte zu Beginn seiner Amtszeit klar, dass die Polizei seine “volle Unterstützung” habe.

„Wir müssen mit aller Kraft gegen den politischen Islamismus kämpfen, der die Republik angreift. “

Gérald Darmanin (LREM/RE), neuer Innenminister Frankreichs

Darmanin hat ein schwierige Aufgabe vor sich, denn Macron und sein vorheriger Innenminister hatten nie zu einer konstanten Linie gefunden, während sich das soziale und politische Klima weiter verhärtete, was zu der Sackgasse führte, in der sich Christophe Castaner zum Schluss befand. Der ehemalige Sozialist wurde von der Polizei abgelehnt, ohne die Opfer von Polizeifgewalt oder systemischem Rassismus erreichen zu können.

Sein Abgang ist zusammen mit dem von Nicole Belloubet (Justizministerin) und Didier Guillaume (Landwirtschaftsminister), die wie er von links kamen, ein wichtiger Grund für die Rechtslastigkeit der neuen Regierung. Linke Persönlichkeiten wie die Abgeordnete Valérie Rabault (PS/S&D) oder Vertreter der Umweltbewegung wie der Direktor der Europäischen Klimastiftung, Laurence Tubiana, wurden gebeten in die Regierung einzutreten, weigerten sich jedoch.

Aber warum der personelle Drall nach Rechts? Für Le Monde Redakteurin Françoise Fressoz ist die Sache offensichtlich. In einem Interview sagte sie: „Es ist offensichtlich, dass Emmanuel Macron auf jede erdenkliche Weise versucht, die rechten Kandidaten für 2022 zu neutralisieren.“ Gérald Darmanin im Innenressort sei so quasi ein Versuch die Konservativen um Macrons möglichen konservativen Widersacher 2022, Xavier Bertrand, mit „Law and Order“ zu gewinnen. Und Bruno Le Maire mit seinem Wiederbelebungsprogramm könnte ein Weg sein, den Aufstieg wirtschaftsliberaler Konservativer, wie Valérie Pécresse oder François Baroin, dem neuen „starken Mann“ der Republikaner (EVP), im Keim zu ersticken.

Die Ökologie wird im Wahlkampf 2022 und auch schon bis dorthin sichtbarer sein als in den letzten Jahren, aber wahrscheinlich ohne dass Emmanuel Macron davon profitieren könnte. Weil Umweltschützer, die auf dem Weg sind, die treibende Kraft hinter dem Wiederaufbau der Linken zu werden und einen Kandidaten für die nächsten Präsidentschaftswahlen präsentieren wollen, ihm immer vorwerfen werden, nicht genug zu tun oder getan zu haben.

Wenn sich also die politische Landschaft 2022, so wie es im Moment aussieht, in drei Blöcken herauskristalisiert – einen linksgerichteter der Umweltschützer, einen konservativen und den der Rechtspopulisten vom Rassemblement National (ID) – ist es offensichtlich, dass die republikanische Rechte schnell eine strategische Debatte eröffnen muss: Soll sie sich Emmanuel Macron widersetzen oder Pakt mit ihm eingehen?

Von dieser Entscheidung wird dann abhängen, ob Macron sich eine zweite Amtszeit sichern kann, ob Frankreich einen linksgerichteten und umweltbewussten Kurs einschlägt, oder das zweitgrößte Land der EU doch in die Hände Marine Le Pens (RN, ID) fällt.

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