Mit der Einigung der Euro-Finanzminister über das 540 Mrd. € schwere Corona-Hilfspaket schien die erste große Hürde für EU-Hilfen für das besonders von der Corona-Pandemie betroffene Italien gerade noch rechtszeitig vor den Osterfeiertagen genommen.
Am Ostermontag (13.04) jedoch gab Wirtschaftsminister Antonio Misiani (PD/S&D) nun bekannt, dass Italien die ihm zustehenden Mittel aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nicht anrühren werde. Die Regierung von Ministerpräsident Giuseppe Conte (parteilos) will lediglich Gelder aus dem EU-Programm für Kurzarbeitergeld SURE und Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) abrufen.
Die Euro-Finanzminister der Eurozone hatten Karfreitag im zweiten Anlauf vereinbart, dass jedem Land der Eurozone 2% seines BIP aus dem ESM zur Verfügung stehen. Italien hätte somit Anspruch auf ESM-Kredite von etwa 39 Mrd. €. Mit einem Gesamtkapital von rund 240 Mrd. € macht der ESM fast die Hälfte des Corona-Hilfspakets aus.
Bis zuletzt hatten die Niederlande auf striktere Bedingungen für die Vergabe von Krediten aus dem Europäischen Stablilitätsmechanismus (ESM) bestanden, während Italien und Spanien auf deren bedingungslose Vergabe pochten.
Die Ablehnung der ESM-Gelder durch die Regierung in Rom wurde in vielen EU-Länder nach Ostern überrascht aufgefasst, zumal letztendlich auch Italien den vereinbarten leichten Bedigungen für ESM-Mittel zugestimmt hatte. Regierungschef Conte hatte jedoch bereits unmittelbar nach der Einigung der Euro-Finanzminister am Karfreitag (10.04) angekündigt, ESM-Kredite für Italien beim nächsten Treffen des Europäischen Rates abzulehnen.
“Italien braucht den ESM nicht, weil Italien den ESM für ein völlig inadequates und unzureichendes Mittel hält, um dieser Notsituation zu begegnen.”
Ministerpräsident Giuseppe Conte am 10.04 zum Beschluss der Eurogruppe
Conte unterstrich nochmals seine Position, dass Eurobonds (Corona-Bonds) der einzige Ausweg seien, der Europa einen kraftvollen Neubeginn ermöglichen. Das Instrument der Coronabonds war in den Verhandlungen der Eurogruppe letzte Woche vom Tisch, nachdem eine Gruppe von nördlichen um Deutschland und die Niederlande diese von der EU gemeinsam aufgenommenen Darlehen entschieden abgelehnt hatte.
Sogenannte Corona-Bonds sind Staatsanleihen, die nicht von einem Staat, sondern von der Europäischen Union aufgenommen werden sollen. Hochverschuldete Länder wie Italien und Spanien können an den internationalen Finanzmärkten nur zu ungünstigen Konditionen Geld aufnehmen. Die EU als Ganzes würde aber wesentlich bessere Konditionen bekommen. Speziell Deutschland, Österreich und die Niederlande sind gegen Corona-Bonds. Sie befürchten eine (dauerhafte) Vergemeinschaftung von Schulden.
Der Ankündigung Contes war über die Osterfeiertage ein heftiger Koalitionsstreit gefolgt. Die ihm nahestehende Fünf-Sterne-Bewegung (NI), italienisch Movimento 5 Stelle (M5S), knüpfte das Fortbestehen der Regierung an die Ablehnung der ESM-Mittel. Eine Forderung aus den Gründungstagen der populistischen M5S, die die in Italien weitverbreitete Furcht vor troika-ähnlichen Kontrollen und ähnlich harten Vorgaben wie für Griechenland nach der Staatsschuldenkrise aufgreift.
Diese Befürchtung teilt der sozialdemokratische Koalitionspartner PD (S&D) nicht. Kulturminister Dario Franceschini (PD) warf Außenminister Luigi Di Maio (M5S) eine “kindische Haltung” vor, nachdem dieser betont hatte, dass es mit seiner Partei keine ESM-Mittel in Italien geben werde. Durchsetzen konnte sich die größere Regierungspartei M5S und so ließ die Regierung am Ostersonntag im Fernsehen verkünden, dass Italien an den ESM-Mitteln nicht interessiert sei.
Kritik an der Haltung der Regierung kam auch vom ehemaligen Ministerpräsidenten Romano Prodi (PD), der den ESM aufgrund seiner harten Bedingungen für Nehmerländer in der Vergangenheit eigentlich oft kritisiert hatte.
“Der ESM ist kein Geschenk. Es ist ein Darlehen. Aber ein günstiges Darlehen mit langer Laufzeit. Und da es wirklich nötig ist, in das Gesundheitssystem zu investieren, ist es, glaube ich, vorteilhaft, das zu akzeptieren.”
Der ehemalige italienische Ministerpräsident Romano Prodi (PD) im ARD-Interview am Mittwoch (15.04)
Bei Corona-Bonds ist der ehemalige EU-Kommissionspräsident wieder auf einer Linie mit der italienischen Regierung: Nur mit ihnen seien die gewaltigen wirtschaftlichen Herausforderungen nach der Krise wirklich zu meistern.
Ob das auch die europäischen Staats- und Regierungschefs so sehen, bleibt bis zu ihrem gemeinsamen “Videogipfel” am 23. April ungewiss. Dann nämlich wollen sie einen gemeinsamen Kurs für den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft finden. Mit Italiens Nein zu den ESM-Hilfen ist schon jetzt deutlich geworden, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist.