#niewiederCDU Wie sich die CDU ihren eigenen Anti-Hashtag eingefangen hat.

Dieser Hashtag hat in den letzten Tagen und Wochen zusammen mit #nochnieCDU vor allem auf Twitter Hochkonjunktur. Doch woher kommt die Ablehnung der verbliebenen deutschen Volkspartei?

Die Gründe sind vielschichtig, doch einer sticht ganz besonders hervor. Es ist Artikel 13 der geplanten EU-Urheberrechtsreform, gegen die sich inzwischen auch nicht-digitaler Widerstand gebildet hat. Diese Reform würde, falls das EU-Parlament sie ratifiziert, nach Ansicht des CDU-Politikers Axel Voss, gegen den sich der Hauptteil der Wut richtet, den „Wilden Westen“ im Netz beenden. Kritiker und Gegner der Reform dagegen befürchten Zensur und verweisen auf die technisch nicht machbare Umsetzung der Kontrolle von Urheberrechtsverletzungen durch Uploadfilter.

Die Reform spricht, auch ein Argument der Befürworter, nicht von Uploadfiltern, sie impliziert sie aber. So sollen die großen Plattformen wie YouTube oder Instagram für Urheberrechtsverstöße auf ihren Plattformen mit haftbar gemacht werden. Um Strafen zu verhindern, müssten die Unternehmen also alle auf ihrer Plattform hochgeladenen Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen prüfen, eben durch Uploadfilter. Gegen die Reform wurde im Netz schon lange gewettert und bis vor kurzem auch hauptsächlich gegen die EU als solche. Anti-EU Memes waren im Trend und man mokierte sich über Brüssel. Doch gerade in Deutschland hat sich der Wind gedreht und richtet sich nun hauptsächlich gegen die Initiatoren der Reform, also die EVP (Europäische Volkspartei, konservative Fraktion im EU-Parlament), in der auch CDU und CSU auf europäischer Ebene Zuhause sind. Diese hatte unter Federführung des CDU-Mannes Axel Voss den jetzt vorliegenden Kompromiss auf EU-Ebene inklusive dem nun so umstrittenen Artikel 13 verhandelt.

Die Gegner, die sich vor allem über YouTube formierten und neue Mitstreiter fanden, starteten alsdann eine Onlinepetition gegen den Artikel. Diese Petition haben mittlerweile über fünf Millionen Bürgerinnen und Bürger der EU unterzeichnet. Und gerade in Deutschland mobilisierte sich reger Widerstand, der in letzter Zeit auch immer häufiger aus der virtuellen in die reale Welt schwappt. Das geschieht nicht zuletzt wegen des Umgangs hochrangiger CDU-Politiker mit Kritik und dem Thema im Allgemeinen. Besonders verärgerte die Netzcommunity der Tweet des CDU-Europaparlamentariers Sven Schulze, in dem er den Kritikern, die ihm mit einer Mailadresse von Google schrieben vorwarf, automatische Bots zu sein.



Diese wahrlich ungeschickte Äußerung wurde schnell zum Motto der Proteste umgebaut. Damit kamen zum Hashtag #saveyourinternet auch diverse zum Thema Bots. Und auch die Musikszene auf YouTube griff die Formulierung auf. So wurde aus einem Tweet eines Abgeordneten der zentrale Slogan der Kampangne: „Wir sind keine Bots“.



Besonders der Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte bewies seine fehlende Erfahrung mit der Dynamik des Internets, als er auf einen Tweet mit einem virtuellen Gemächtsvergleich a la „ich habe mehr Abonnenten“ antwortete. Wer das Netz ein bisschen kennt, weiß, dass Arroganz schnell negative Reaktionen hervorruft, und so hatte der kleinere Twitterer nach dem Aufruf einiger YouTube Stars deutlich mehr Abonnenten als Hirte. Dessen Post war bald darauf gelöscht und er zum Gespött der Netzgemeinde geworden.



Die von den Protesten und dem Gegenwind offenbar reichlich überraschte EVP (Europäische Volkspartei), also die Fraktion von CDU und CSU im Europaparlament, entschloss sich dann, die Abstimmung über die umstrittene Urheberrechtsreform vorzuverlegen. Diese Vorverlegung wurde von vielen Gegnern als versuchtes Ausstechen der Kritiker wahrgenommen, da die großen Demonstrationen gegen Artikel 13 für den 23. März angesetzt waren. Dazu die Abgeordnete der Piraten im EU-Parlament Julia Reda:



Später lieferte der SPD Europaabgeordnete Timo Wölken dann den schriftlichen Beweis für eine versuchte Vorverlegung der Abstimmung.



Nachdem es in vielen deutschen Städten zu spontanen Protesten gekommen war, zog der Vorsitzende der EVP, Manfred Weber, die Abstimmung zurück. Den CDU-Bundestagsabgeordneten Alexander Hoffmann hielten diese Tatsachen allerdings nicht davon ab, sie zu leugnen.



Nach dieser Rede im Bundestag folgte natürlich ein Aufschrei auf Twitter. Der Union wurde vorgeworfen sie sei undemokratisch und bewege sich auf dem Niveau der AfD. Und auch der Umgang mit Kritik seitens der beteiligten Unionspolitiker war mehr als umstritten und gerade das Blocken von Kritikern, was sicher nicht den parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht, sorgte für Aufregung.



Doch was ist eigentlich mit dem Koalitionspartner der Union, der SPD? Im Koalitionsvertrag von 2018 werden Uploadfilter noch als „unverhältnismäßig“ abgelehnt. So hatte die federführende Ministerin, Justizministerin Barley von der SPD, sich gegen Uploadfilter und den vorliegenden Entwurf ausgesprochen. Letztendlich entschied das Bundeskabinett gegen den Willen der Justizministerin und gab der Umsetzung der Reform auf europäischer Ebene grünes Licht. In diesem Zusammenhang wird inzwischen gemutmaßt, dass die Bundeskanzlerin ihre Richtlinienkompetenz eingesetzt hat, weshalb auch der Hashtag #Merkelfilter zurzeit hoch im Kurs steht. So wird der Bundeskanzlerin vorgeworfen, diese Reform gegen viele berechtigte Einwände aus der Bevölkerung und sogar aus ihrem Kabinett und ihrer Partei gnadenlos durchzudrücken. Diese Vorwürfe werden, natürlich in der liebsten Form der Netzgemeinde, in Form von Memes verarbeitet und tausendfach geteilt. Auf Justizministerin Barley hatten viele Gegner der Urheberrechtsreform ihre Hoffnung gesetzt. Doch die Ministerin und gleichzeitige Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl konnte sich nicht durchsetzen, obwohl eine Onlinepetition mit 4,7 Millionen Unterschriften gegen Artikel 13 ihre Position in der Bundesregierung hätte stärken sollen. Doch zum Glück für die SPD wird die Enttäuschung über die Durchsetzungsschwäche der Partei oft von der Wut über die Union überlagert.



Nun aber zurück zur CDU. Diese scheint vor allem bei den jüngeren Generationen in Ungnade gefallen zu sein. Zwar bezieht sich der Hashtag #niewiederCDU speziell auf die EU-Urheberechtsreform und den Umgang der CDU mit ihren Kritikern, aber es schwingen häufig auch andere Vorwürfe mit.  Die beziehen sich dann auf den Klimaschutz und Fridays for Future, oder den immer noch nicht gelösten Dieselskandal, in dem sich viele eine Standpauke der Politik für die Autoindustrie gewünscht hätten. Aber auch Waffenexporte, einen so genannter „Witz“ einer CDU Vorsitzenden, der eher in die Kategorie „dummer Spruch“ gehört oder allgemeine Probleme wie Wohnraummangel werden dabei angesprochen. Besonders an alledem ist, dass der Hashtag nicht a la „Merkel muss weg“ aus der rechten Ecke kommt, sondern aus relativ vielen verschiedenen gesellschaftlichen Spektren. So sind Anhänger der Piraten genauso wie Liberale oder Grüne und viele anders positionierte Personen beteiligt, aber auch viele Sozialdemokraten und CDUler, die ihren Unmut über ihre eigenen Parteien äußern und sogar Austrittsschreiben veröffentlichen.

Zu bedenken ist auch die hier agierende Klientel. Natürlich ist die Öffentlichkeit auf Twitter nicht ganz repräsentativ für die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung. Doch die Sozialen Medien sind längst kein abgekoppelter Raum mehr, weshalb ein solch drastischer Hashtag auch deutliches Gewicht hat. Man muss aber auch betonen, dass alle Diskussionen, unabhängig vom Thema auf Twitter polemischer, weniger differenziert und deutlich emotionaler geführt werden, weshalb man die Entscheidung Robert Habecks sich von Twitter zurückzuziehen durchaus verstehen kann.

Die Zukunftsfrage hier ist aber, ob sich die Ablehnung der Union durch die jüngeren internetaffinen Generationen auf ihre Ergebnisse bei der Europawahl auswirken wird. Das breitere politische Interesse der Jugend, welches im Zuge der Diskussion um Artikel 13 und die Proteste von Fridays for Future geweckt worden ist, könnte eine Eigendynamik entwickeln und sich auf weitere Themenbereiche ausbreiten. Doch das sind Zukunftsfragen, jetzt steht erst einmal die Entscheidung zu Artikel 13 Ende März an. Wer sich durchsetzen kann, wird sich zeigen.

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